Impulskontrolle bei Jugendlichen

 

„Ich kann einfach nicht anders!“ – Impulskontrolle bei Jugendlichen: Was tun, wenn Emotionen übernehmen

Wutausbrüche, unüberlegte Aktionen, beleidigende Worte – und danach meist Reue. Viele Jugendliche kämpfen damit, ihre Impulse zu kontrollieren. Für Außenstehende sieht das oft nach “fehlender Disziplin” aus. Doch hinter impulsivem Verhalten steckt oft mehr als nur schlechte Laune oder Trotz.

Was passiert im Gehirn?

Die Pubertät ist eine Zeit massiver Umbauprozesse im Gehirn. Das limbische System – zuständig für Emotionen – ist besonders aktiv, während der präfrontale Kortex (der “Verstand”, zuständig für Planung und Impulskontrolle) noch in der Entwicklung ist.

Ergebnis: Gefühle übernehmen schneller das Steuer, während das „innere Stoppschild“ manchmal zu spät kommt. Jugendliche spüren Emotionen zwar stark, haben aber noch nicht das vollständige „Werkzeug“, um diese zu regulieren. Dies führt oft dazu, dass sich Jugendliche eher zu einer sofortigen Befriedigung entscheiden, auch wenn langfristig Konsequenzen bekannt sind.

Wann ist Impulsivität ein Problem?

Impulsives Verhalten gehört zur Entwicklung – doch wenn ein Jugendlicher:

  • regelmäßig ausrastet oder Dinge kaputt macht,
  • ohne Nachzudenken handelt und sich oder andere gefährdet,
  • sozial isoliert wird oder sich nach seinen Handlungen schämt,

… dann ist es sinnvoll, genauer hinzuschauen und Unterstützung zu suchen.

Was kann helfen?

Impulse benennen lernen („Ich merke, dass…“)

Jugendliche können Impulse oft nicht stoppen, weil sie diese zu spät bemerken. Ziel ist es, das „Aufkochen“ frühzeitig zu erkennen.

Jugendlichen können  versuchen zu verstehen, wie sich Wut, Frust oder Druck körperlich anfühlen – z. B. „Ich spüre Hitze im Bauch“ oder „Meine Hände werden unruhig“.

Reiz-Reaktions-Zeit vergrößern

Eine bewährte Übung: STOPP – ATMEN – HANDELN:

  • Stopp sagen (leise oder innerlich).
  • 3x tief durchatmen.
  • Handlung überdenken: „Was passiert, wenn ich jetzt XY tue?“
  • Dann erst entscheiden, ob die Reaktion passend ist.

Wichtig: Das muss regelmäßig trainiert werden, in unterschiedlichen Situationen.

Körperlich abbauen, was psychisch überfordert

Viele Jugendliche haben keine „legale“ Strategie, um angestaute Energie abzubauen.

Sport, Musik, Boxsack, Spaziergänge oder kreatives Schreiben können helfen.

Impulse zu kontrollieren ist nicht gleich unterdrücken – es geht darum, einen geeigneten Kanal zu finden.

Nachbesprechungen ohne Scham

Wenn es zu einem impulsiven Ausbruch kommt, hilft eine ruhige, nicht vorwurfsvolle Rückschau:

  • Was ist passiert?
  • Was war der Auslöser?
  • Was hätte helfen können?

Wichtig: Jugendliche brauchen das Gefühl, nicht falsch oder „gestört“ zu sein, sondern jemand zu sein, der lernen kann.

In der Verhaltenstherapie oder integrativen Therapie lernen Jugendliche, ihre emotionalen Muster zu verstehen und neue Strategien zu entwickeln. Es geht nicht nur um „Kontrolle“, sondern um:

  • Emotionsregulation
  • Selbstwirksamkeit
  • Konfliktfähigkeit

Impulskontrolle ist erlernbar – aber kein Schalter

Jugendliche entwickeln Impulskontrolle nicht über Nacht. Sie brauchen Geduld, Verständnis – und manchmal professionelle Unterstützung. In der psychotherapeutischen Begleitung können sie lernen, dass sie nicht Opfer ihrer Emotionen sind, sondern Gestalter ihres Verhaltens werden können.

 

Michaela Tollo, Zentrum Mensch