Digitale Ablenkung durch Eltern – Wie das Smartphone die kindliche Entwicklung beeinflusst

 

Immer häufiger sieht man Eltern auf dem Spielplatz, die mehr mit ihrem Handy als mit ihren Kindern beschäftigt sind. Was wie ein harmloses Scrollen oder schnelles Beantworten einer Nachricht wirkt, kann jedoch weitreichende Folgen für die Entwicklung ihrer Kinder haben – das zeigt eine neue wissenschaftliche Auswertung.

Forscherinnen und Forscher der University of Wollongong in Australien haben Daten aus 21 Studien mit fast 15.000 Eltern-Kind-Paaren aus zehn Ländern ausgewertet. Das Ergebnis: Kinder von Eltern, die häufig durch Smartphones abgelenkt sind, zeigen häufiger emotionale Probleme, soziale Auffälligkeiten, Verhaltensprobleme und eine schwächere Bindung zu ihren Eltern. Auch ihre kognitive Entwicklung – also z. B. die Fähigkeit zu denken, zu lernen und zu sprechen – scheint darunter zu leiden. Diese Beeinträchtigungen sind zwar meist nicht drastisch, aber statistisch spürbar.

In der Fachwelt wird dieses Phänomen „Technoferenz“ genannt – eine Mischung aus Technologie und Interferenz. Gemeint ist damit die Störung der zwischenmenschlichen Interaktion durch digitale Medien. Besonders betroffen sind Kleinkinder bis zu fünf Jahren, da sie in dieser Lebensphase besonders stark von der direkten Zuwendung und Kommunikation mit ihren Bezugspersonen abhängig sind.

Medienpädagogin Paula Bleckmann warnt, dass vor allem das wiederholte Erleben sogenannter „abwesender Anwesenheit“ – also wenn Eltern körperlich zwar da, aber emotional nicht erreichbar sind – die sichere Bindung zwischen Kind und Eltern beeinträchtigen kann. Kinder lernen so nicht, sich sicher aufgehoben zu fühlen, was sich auf ihr emotionales Gleichgewicht und ihre Entwicklung auswirken kann.

Hinzu kommt: Kinder übernehmen das Verhalten ihrer Eltern. Sind diese oft am Handy, greifen auch die Kinder früher und häufiger zu digitalen Medien – was langfristig das Risiko für exzessiven Medienkonsum oder sogar eine Sucht erhöhen kann. Gleichzeitig wird wertvolle Zeit für spielerisches Lernen und echte Sinneserfahrungen verloren – entscheidend für ein gesundes Gehirnwachstum.

Die Studien zeigen zwar nur Zusammenhänge und keine direkten Ursachen, aber die Muster sind deutlich: Je mehr Zeit Eltern am Handy verbringen, desto mehr Schwierigkeiten haben die Kinder mit Konzentration, Gefühlsregulation und schulischer Leistung.

Ein weiteres Problem: Eltern nehmen die Signale ihrer Kinder in solchen Momenten oft nicht richtig wahr oder reagieren verzögert, unaufmerksam oder sogar abweisend. Dadurch entfallen wichtige Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten für das Kind – zum Beispiel in der Sprachentwicklung, wie auch eine finnische Studie bestätigt. Denn gerade in den ersten Lebensjahren ist die verbale Interaktion mit den Eltern entscheidend, um Sprache zu lernen.

Trotzdem nutzen über 70 Prozent der Eltern laut Umfragen digitale Geräte beim Spielen oder Essen mit ihren Kindern – meist ohne sich der möglichen Folgen bewusst zu sein. Und es spielt kaum eine Rolle, ob Eltern einfach in Gegenwart des Kindes am Handy sind oder ob eine laufende Interaktion unterbrochen wird – beides wirkt sich ähnlich aus.Besonders gravierend sind diese Effekte bei Kleinkindern, aber auch ältere Kinder leiden, wie eine kanadische Studie zeigt: Bei Neun- bis Elfjährigen, deren Eltern stark durch das Smartphone

abgelenkt sind, treten häufiger Angst, Aufmerksamkeitsprobleme und hyperaktives Verhalten auf.

Was können Eltern tun?

Statt das Handy komplett zu verbannen, raten Expertinnen und Experten zu einem bewussteren Umgang: feste, bildschirmfreie Zeiten und Zonen einführen – etwa beim Essen, Spielen oder Schlafen. Das Smartphone in diesen Momenten stumm zu schalten oder außer Reichweite zu legen, kann schon viel bewirken.

Wichtig ist dabei, sich nicht an einem unrealistischen Ideal zu messen. Perfekte Eltern gibt es nicht. Wie Medienpädagogin Bleckmann betont, geht es nicht darum, nie am Handy zu sein – sondern darum, die Balance zu finden zwischen den eigenen Bedürfnissen und denen des Kindes. Denn auch Eltern brauchen Pausen, Kontakte und Austausch. Entscheidend ist, sich der eigenen Mediengewohnheiten bewusst zu werden und die Aufmerksamkeit gezielt auf gemeinsame, präsente Momente mit dem Kind zu richten.

 

Michaela Tollo, Zentrum Mensch